Schüchternheit

Schüchternheit : Wie Du Deine Ängste überwinden kannst

Einleitung

Die stille Herausforderung: Warum Schüchternheit mehr als nur Zurückhaltung ist

Kennen Sie das Gefühl? Der Puls rast, die Hände werden feucht, und plötzlich scheinen alle Worte wie weggeblasen – nur weil Sie in einer Gruppe sprechen sollen oder jemanden ansprechen möchten. Schüchternheit ist weit mehr als nur eine Charaktereigenschaft. Sie kann zu einer echten Barriere werden, die uns daran hindert, unser volles Potenzial zu entfalten und tiefe, erfüllende Beziehungen aufzubauen. Während manche Menschen Schüchternheit als einfache Zurückhaltung abtun, wissen Betroffene, dass sie ein komplexes Gefüge aus Ängsten, Selbstzweifeln und körperlichen Reaktionen sein kann.

Was Sie in diesem Leitfaden erwartet: Ihr Weg zu Verständnis und Veränderung

In diesem umfassenden Leitfaden erfahren Sie nicht nur, was Schüchternheit im Kern ausmacht, sondern auch, woher sie kommt und – am wichtigsten – wie Sie sie Schritt für Schritt überwinden können. Ob Sie selbst mit Schüchternheit kämpfen oder jemanden unterstützen möchten: Hier finden Sie wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse, praktische Strategien und konkrete Übungen, die nachweislich helfen, mehr Selbstvertrauen zu entwickeln und soziale Situationen mit weniger Angst zu meistern.

Ein Überblick: Von den Ursachen bis zu konkreten Übungen

Wir beginnen mit einer präzisen Definition von Schüchternheit und grenzen sie von verwandten Phänomenen ab. Anschließend beleuchten wir die verschiedenen Ursachen – von genetischen Faktoren bis hin zu prägenden Erfahrungen. Nach einem Blick auf die Auswirkungen im Alltag widmen wir uns dem Herzstück dieses Leitfadens: konkreten, alltagstauglichen Strategien zur Überwindung von Schüchternheit. Abgerundet wird der Beitrag mit Hinweisen, wann professionelle Hilfe sinnvoll sein kann, und Tipps für langfristige Veränderungen.

Was ist Schüchternheit genau? Definition und Abgrenzung

Schüchternheit auf den Punkt gebracht: Eine klare Definition

Schüchternheit bezeichnet ein Muster aus Unbehagen, Hemmung und Selbstbewusstseinsmangel in sozialen Situationen, besonders in neuen Umgebungen oder bei Kontakt mit unbekannten Personen. Im Gegensatz zu flüchtiger Nervosität ist Schüchternheit ein relativ stabiles Verhaltens- und Erlebensmuster, das oft von negativen Selbstbewertungen und der Angst vor negativer Beurteilung durch andere begleitet wird.

Nicht alles ist Schüchternheit: Der wichtige Unterschied zu…

Introversion: Energiequelle vs. soziale Angst

SchüchternheitIntroversion
Basiert auf Angst und UnsicherheitBasiert auf Energiehaushalt
Wird oft als belastend erlebtWird meist als angenehm empfunden
Verbunden mit dem Wunsch nach mehr sozialer KompetenzZufriedenheit mit weniger, aber tieferen sozialen Kontakten
Kann durch Training überwunden werdenIst eine stabile Persönlichkeitseigenschaft

Sozialer Angststörung (Sozialphobie): Grad der Beeinträchtigung, klinische Relevanz

Während Schüchternheit im Alltag belastend sein kann, liegt bei einer Sozialen Angststörung ein klinisch relevantes Leiden vor. Der Unterschied zeigt sich im Ausmaß der Angst, der Vermeidung und der Beeinträchtigung des täglichen Lebens. Bei einer Sozialphobie ist die Angst vor sozialen Situationen so stark, dass Betroffene ihr Leben maßgeblich umgestalten, um diese zu vermeiden.

Situativer Unsicherheit: Temporär vs. Muster

Jeder Mensch fühlt sich gelegentlich unsicher – etwa beim ersten Date oder vor einem wichtigen Vortrag. Der Unterschied zur Schüchternheit liegt in der Dauer und Konsistenz: Während situative Unsicherheit vorübergeht, bleibt Schüchternheit über verschiedene Situationen hinweg bestehen und bildet ein wiederkehrendes Muster.

Typische Anzeichen: Woran erkenne ich Schüchternheit bei mir oder anderen?

  • Körperliche Symptome: Erröten, Schwitzen, Zittern, erhöhter Herzschlag
  • Gedanken: “Was denken die anderen über mich?”, “Ich werde mich blamieren”, “Ich weiß nicht, was ich sagen soll”
  • Verhalten: Vermeidung von Blickkontakt, leise Stimme, Vermeidung sozialer Situationen, Zurückhaltung in Gruppen, Schwierigkeiten beim Initiieren von Gesprächen

Die Wurzeln der Schüchternheit: Vielfältige Ursachen verstehen

Angeboren oder erlernt? Ein Blick auf die Forschung

Die Wissenschaft zeigt: Schüchternheit entsteht durch ein komplexes Zusammenspiel aus biologischen Anlagen und Umwelteinflüssen. Eine Langzeitstudie der Harvard University fand heraus, dass etwa 15-20% der Kleinkinder mit einem sogenannten “gehemmten Temperament” geboren werden, was als Grundlage für spätere Schüchternheit dienen kann.

Genetische Veranlagung & Temperament

Manche Menschen kommen mit einer erhöhten Sensitivität für soziale Reize auf die Welt. Diese biologische Empfindlichkeit kann dazu führen, dass neue Situationen und unbekannte Menschen als bedrohlicher wahrgenommen werden. Studien mit Zwillingen bestätigen, dass Schüchternheit zu etwa 30-40% genetisch bedingt sein kann.

Gehirnchemie & Reizverarbeitung (vereinfacht erklärt)

Forschungen zeigen, dass die Amygdala – unser “Angstzentrum” im Gehirn – bei schüchternen Menschen auf soziale Reize stärker reagiert. Zudem spielt der Neurotransmitter Serotonin eine wichtige Rolle: Ein genetisch bedingter niedrigerer Serotoninspiegel kann zu erhöhter sozialer Ängstlichkeit beitragen.

Prägende Erfahrungen: Wie das Umfeld Schüchternheit formt

Frühe Kindheit & Erziehungsstil

Überbehütende oder überkritische Erziehungsstile können Schüchternheit fördern. Wenn Eltern ihren Kindern wenig Raum für eigenständige Erfahrungen lassen oder soziale Risiken ständig als gefährlich darstellen, lernen Kinder nicht, Unsicherheiten zu bewältigen und Selbstvertrauen zu entwickeln.

Soziales Lernen & Modellverhalten

Kinder lernen durch Beobachtung. Wenn sie erleben, dass ihre Eltern oder andere wichtige Bezugspersonen in sozialen Situationen ängstlich reagieren oder diese vermeiden, übernehmen sie oft dieses Verhaltensmuster.

Negative soziale Erfahrungen & Mobbing

Beschämende oder traumatische Erlebnisse in sozialen Kontexten – besonders in prägenden Entwicklungsphasen – können tiefe Spuren hinterlassen. Wer als Kind verspottet wurde, wenn er vor der Klasse sprach, oder ständiges Mobbing erlebte, entwickelt möglicherweise eine anhaltende Angst vor ähnlichen Situationen.

Kulturelle Einflüsse

In manchen Kulturen wird zurückhaltendes Verhalten stärker wertgeschätzt als in anderen. Während westliche Gesellschaften oft Durchsetzungsfähigkeit und Extraversion belohnen, schätzen ostasiatische Kulturen häufig Bescheidenheit und Zurückhaltung. Diese kulturellen Werte prägen, wie Schüchternheit wahrgenommen und bewertet wird.

Der Teufelskreis: Wie Vermeidung Schüchternheit verstärkt

Ein entscheidender Faktor bei der Aufrechterhaltung von Schüchternheit ist das Vermeidungsverhalten. Wer aus Angst soziale Situationen meidet, erfährt nie, dass seine Befürchtungen oft übertrieben sind. Stattdessen verstärkt jede Vermeidung die Überzeugung: “Ich kann das nicht.” So entsteht ein sich selbst verstärkender Kreislauf aus Angst, Vermeidung und zunehmender Unsicherheit.

Die Auswirkungen von Schüchternheit im Alltag

Karrierebremse Schüchternheit: Verpasste Chancen im Job

Schüchternheit kann die berufliche Entwicklung erheblich beeinträchtigen. Studien zeigen, dass zurückhaltende Menschen seltener befördert werden – nicht weil sie weniger kompetent sind, sondern weil sie ihre Fähigkeiten weniger sichtbar machen. Schüchterne Personen melden sich in Meetings seltener zu Wort, verhandeln zurückhaltender über Gehälter und scheuen oft davor zurück, Netzwerke aufzubauen, die für die Karriere entscheidend sein können.

Liebe & Freundschaft: Wenn Schüchternheit Beziehungen erschwert

Im zwischenmenschlichen Bereich kann Schüchternheit dazu führen, dass potenziell bereichernde Beziehungen gar nicht erst entstehen. Der Schritt, jemanden anzusprechen oder nach einem Date zu fragen, erscheint wie ein unüberwindbares Hindernis. Auch in bestehenden Beziehungen kann Schüchternheit Probleme verursachen, etwa wenn eigene Bedürfnisse nicht kommuniziert werden oder Konflikte aus Angst vor Auseinandersetzungen ungelöst bleiben.

Soziale Isolation & Einsamkeit: Der Preis der Zurückhaltung

Ein besonders schmerzlicher Effekt von Schüchternheit kann soziale Isolation sein. Paradoxerweise sehnen sich viele schüchterne Menschen nach Kontakt, während sie gleichzeitig soziale Situationen vermeiden. Diese Diskrepanz zwischen Wunsch und Realität kann zu chronischer Einsamkeit führen – mit nachgewiesenen negativen Auswirkungen auf die körperliche und psychische Gesundheit.

Mentale Gesundheit: Der Zusammenhang mit Selbstwertgefühl & Stimmung

Schüchternheit und niedriges Selbstwertgefühl verstärken sich gegenseitig. Wer sich in sozialen Situationen unwohl fühlt und diese als Misserfolge erlebt, entwickelt oft negative Überzeugungen über sich selbst. Diese wiederum erhöhen die soziale Angst – ein Teufelskreis entsteht. Langfristig kann dieses Muster das Risiko für Depressionen und Angststörungen erhöhen.

Ihr Weg zu mehr Selbstsicherheit: Strategien & Übungen gegen Schüchternheit

Die Macht der Gedanken: Kognitive Umstrukturierung nutzen

Negative Selbstgespräche erkennen und entlarven

Der erste Schritt zur Veränderung ist Bewusstsein. Achten Sie auf Ihre inneren Dialoge vor, während und nach sozialen Situationen. Typische negative Selbstgespräche sind:

  • “Alle werden merken, wie nervös ich bin”
  • “Ich werde nichts Interessantes zu sagen haben”
  • “Die anderen finden mich bestimmt langweilig”

Typische Denkfehler bei Schüchternheit aufdecken

Schüchterne Menschen neigen zu bestimmten Denkmustern, die ihre Angst verstärken:

  • Katastrophisieren: “Wenn ich ins Stottern gerate, werde ich völlig blamiert sein”
  • Gedankenlesen: “Sie lächelt nicht – sie mag mich sicher nicht”
  • Alles-oder-Nichts-Denken: “Entweder bin ich perfekt selbstsicher oder ein kompletter Versager”

Realistischere, hilfreichere Gedanken formulieren

Ersetzen Sie verzerrte Gedanken durch ausgewogenere Alternativen:

  • Statt “Ich werde mich blamieren” → “Es könnte holprig werden, aber das ist normal und kein Weltuntergang”
  • Statt “Alle starren mich an” → “Die meisten Menschen sind mit sich selbst beschäftigt”
  • Statt “Ich muss immer interessant sein” → “Ich kann auch einfach zuhören und Fragen stellen”

Mut zur Handlung: Praktische Verhaltensübungen

“Der einzige Weg, Ihre Angst zu besiegen, ist, das zu tun, wovor Sie Angst haben. Und wiederholen Sie es, bis die Angst verschwindet.” – Dr. Ellen Hendriksen, Klinische Psychologin

Die Leiter-Technik: Schrittweise Konfrontation mit Ängsten

Erstellen Sie Ihre persönliche “Angstleiter” – eine Liste sozialer Situationen, sortiert von wenig bis sehr angstauslösend:

  1. Blickkontakt mit Fremden halten (leicht)
  2. Einem Bekannten ein Kompliment machen
  3. In einer kleinen Gruppe eine Meinung äußern
  4. Einen Fremden nach der Uhrzeit fragen
  5. Bei einem Meeting einen Vorschlag einbringen …
  6. Eine Rede vor vielen Menschen halten (schwer)

Beginnen Sie mit der leichtesten Herausforderung und arbeiten Sie sich langsam nach oben. Wichtig: Verlassen Sie eine Situation erst, wenn die Angst deutlich nachgelassen hat – nicht auf dem Höhepunkt.

Kleine Schritte, große Wirkung: Tägliche Mini-Herausforderungen

Integrieren Sie kleine soziale Übungen in Ihren Alltag:

  • Den Kassierer nach seinem Tag fragen
  • Im Café einen Platz neben jemandem wählen (statt am leersten Tisch)
  • In einer Warteschlange ein kurzes Gespräch beginnen
  • In sozialen Medien einen Kommentar hinterlassen

Soziale Kompetenzen trainieren: Gesprächseinstieg, aktives Zuhören, Körpersprache-Tipps

Schüchternheit wird oft durch Unsicherheit über “soziale Regeln” verstärkt. Bauen Sie Ihr Repertoire an sozialen Fähigkeiten auf:

  • Gesprächseinstiege: Offene Fragen stellen, aktuelle Ereignisse kommentieren, Gemeinsamkeiten bemerken
  • Aktives Zuhören: Nachfragen, Paraphrasieren, Blickkontakt, Nicken
  • Körpersprache: Aufrechte, offene Haltung, gemäßigter Blickkontakt, entspannte Schultern

Rollenspiele: Schwierige Situationen sicher üben

Üben Sie anspruchsvolle soziale Situationen zunächst in sicherer Umgebung:

  • Bitten Sie einen vertrauten Freund, ein Bewerbungsgespräch zu simulieren
  • Nehmen Sie sich beim Üben einer Präsentation auf
  • Treten Sie einem Kurs für Kommunikation oder Improvisationstheater bei

Innere Ruhe finden: Techniken gegen Nervosität & Anspannung

Atemübungen für sofortige Entspannung

Die 4-7-8-Methode: Atmen Sie 4 Sekunden ein, halten Sie den Atem 7 Sekunden, und atmen Sie 8 Sekunden aus. Wiederholen Sie dies 3-4 Mal, um Anspannung schnell zu reduzieren.

Achtsamkeit im Alltag: Den Moment annehmen

Achtsamkeitspraxis hilft, weniger in sorgenvollen Gedanken gefangen zu sein. Üben Sie, Ihre Aufmerksamkeit bewusst auf den gegenwärtigen Moment zu lenken – auf Ihre Sinneswahrnehmungen, Ihren Atem oder Ihre Umgebung, ohne zu bewerten.

Selbstfürsorge & Selbstwert: Das Fundament stärken

Eigene Stärken erkennen und wertschätzen

Erstellen Sie eine Liste Ihrer positiven Eigenschaften, Fähigkeiten und Erfolge. Schüchterne Menschen fokussieren sich oft auf vermeintliche Defizite und übersehen ihre Stärken – wie Empathie, Zuverlässigkeit oder Kreativität.

Erfolge feiern – auch die kleinen!

Würdigen Sie jeden Schritt aus Ihrer Komfortzone, egal wie klein er erscheint. Hat der Anruf beim Kundendienst Sie Überwindung gekostet? Haben Sie in der Besprechung etwas gesagt? Das sind Erfolge, die Anerkennung verdienen.

Die Rolle von Bewegung, Schlaf & Ernährung

Ein gesunder Körper unterstützt emotionale Stabilität. Regelmäßige Bewegung reduziert nachweislich Angstsymptome, ausreichend Schlaf verbessert die Stressresistenz, und eine ausgewogene Ernährung stabilisiert die Stimmung.

Spezifische Situationen meistern: Tipps für typische Herausforderungen

Souverän im Jobinterview trotz Schüchternheit

  • Bereiten Sie Antworten auf typische Fragen vor, aber lernen Sie sie nicht auswendig
  • Üben Sie mit Videoaufnahmen oder vor Freunden
  • Betonen Sie Ihre Stärken – gerade als schüchterner Mensch bringen Sie wertvolle Qualitäten mit (Genauigkeit, Zuhörfähigkeit, Empathie)

Lampenfieber bei Präsentationen reduzieren

  • Bereiten Sie sich gründlich vor, aber überlernen Sie nicht
  • Visualisieren Sie Erfolg statt Scheitern
  • Fokussieren Sie sich auf Ihren Inhalt, nicht auf sich selbst
  • Beginnen Sie mit Blickkontakt zu wohlwollenden Zuhörern

Erfolgreich Netzwerken als schüchterne Person

  • Setzen Sie sich ein konkretes, überschaubares Ziel (z.B. drei neue Kontakte)
  • Bereiten Sie einige offene Fragen vor
  • Nutzen Sie Ihre Stärke als guter Zuhörer
  • Planen Sie Pausen zur Erholung ein

Dating & Partnersuche: Den ersten Schritt wagen

  • Nutzen Sie gemeinsame Interessen als natürlichen Gesprächseinstieg
  • Erinnern Sie sich: Auch Ihr Gegenüber ist wahrscheinlich nervös
  • Authentizität wirkt sympathischer als perfekte Selbstdarstellung
  • Online-Dating kann einen sanfteren Einstieg bieten

Small Talk: Leichter ins Gespräch kommen

  • Bereiten Sie einige universelle Gesprächsthemen vor (aktuelle Ereignisse, gemeinsamer Kontext)
  • Stellen Sie offene Fragen, die nicht mit Ja/Nein beantwortet werden können
  • Zeigen Sie echtes Interesse durch Nachfragen
  • Entspannen Sie sich – Small Talk muss nicht tiefgründig sein

Grenzen erkennen: Wann ist professionelle Hilfe sinnvoll?

Warnsignale: Wenn Schüchternheit zur Belastung wird

Professionelle Unterstützung sollte in Betracht gezogen werden, wenn:

  • Schüchternheit Ihren Alltag stark einschränkt (z.B. Vermeidung wichtiger Veranstaltungen)
  • Soziale Ängste zu körperlichen Symptomen wie Panikattacken führen
  • Sozialer Rückzug zu Einsamkeit und depressiven Verstimmungen führt
  • Selbsthilfeversuche über längere Zeit keine Verbesserung bringen

Therapieformen, die helfen können

  • Kognitive Verhaltenstherapie (KVT): Die nachweislich wirksamste Therapieform bei sozialer Angst
  • Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT): Hilft, mit unangenehmen Gefühlen umzugehen, statt sie zu bekämpfen
  • Gruppentherapie: Bietet gleichzeitig therapeutische Unterstützung und soziales Übungsfeld
  • Online-Therapieprogramme: Niedrigschwellige Alternative mit wissenschaftlich belegter Wirksamkeit

Wie finde ich den richtigen Therapeuten/Coach in Deutschland?

  • Über die Kassenärztliche Vereinigung (www.kv.de) nach Psychotherapeuten mit Kassenzulassung suchen
  • Bei der Krankenkasse nach Präventionskursen zum Thema Selbstsicherheit fragen
  • Selbsthilfegruppen als ergänzende Unterstützung über www.nakos.de finden
  • Coaching-Angebote für Selbstsicherheit und soziale Kompetenz recherchieren (keine Kassenleistung)

Langfristig dranbleiben: Schüchternheit als Entwicklungsprozess

Geduld & Akzeptanz: Veränderung braucht Zeit

Die Überwindung von Schüchternheit ist ein Marathon, kein Sprint. Seien Sie geduldig mit sich selbst und akzeptieren Sie, dass es Höhen und Tiefen geben wird. Fortschritte geschehen selten linear – manchmal werden Sie zwei Schritte vorwärts und einen zurück machen.

Umgang mit Rückschlägen: Motivation aufrechterhalten

Rückschläge sind normal und kein Zeichen von Versagen. Wenn eine soziale Situation nicht wie erhofft verläuft:

  • Analysieren Sie sachlich, was passiert ist
  • Vermeiden Sie übermäßige Selbstkritik
  • Ziehen Sie Lehren für die Zukunft
  • Erinnern Sie sich an frühere Erfolge

Die positiven Effekte: Ein Leben mit mehr Freiheit und Selbstvertrauen

Mit jedem überwundenen Hindernis gewinnen Sie mehr Freiheit und Lebensqualität. Viele ehemals schüchterne Menschen berichten, dass sie durch die Auseinandersetzung mit ihrer Schüchternheit nicht nur selbstsicherer wurden, sondern auch tiefere Einsichten über sich selbst gewonnen haben.

Zusammenfassung & Schlusswort

Die wichtigsten Erkenntnisse auf einen Blick

  • Schüchternheit entsteht durch ein Zusammenspiel aus Veranlagung und Erfahrung
  • Der Teufelskreis aus Angst und Vermeidung hält Schüchternheit aufrecht
  • Kognitive Techniken helfen, verzerrte Gedanken zu erkennen und zu verändern
  • Schrittweise Exposition reduziert Ängste nachhaltig
  • Soziale Kompetenzen können gezielt trainiert werden
  • Bei starker Beeinträchtigung ist professionelle Hilfe sinnvoll

Ein Wort der Ermutigung: Sie können es schaffen!

Schüchternheit mag wie ein unveränderlicher Teil Ihrer Persönlichkeit erscheinen – doch das ist sie nicht. Tausende Menschen haben den Weg zu mehr Selbstsicherheit erfolgreich beschritten. Mit den richtigen Strategien, etwas Mut und Beharrlichkeit können auch Sie soziale Situationen mit weniger Angst und mehr Freude erleben. Der erste Schritt ist bereits getan: Sie haben sich informiert und Werkzeuge an die Hand bekommen. Nun liegt es an Ihnen, sie anzuwenden.

Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu Schüchternheit

Ist Schüchternheit heilbar?

Schüchternheit ist keine Krankheit, die “geheilt” werden muss, aber sie kann deutlich reduziert werden. Die meisten Menschen können durch gezieltes Training ihre soziale Angst erheblich verringern und ein erfüllteres soziales Leben führen.

Was ist der Hauptunterschied zwischen schüchtern und introvertiert?

Introversion ist eine Persönlichkeitseigenschaft, bei der Menschen Energie aus Ruhe und Alleinsein schöpfen. Schüchternheit hingegen ist von Angst und Unsicherheit geprägt. Man kann introvertiert sein, ohne schüchtern zu sein – und umgekehrt.

Können Medikamente bei starker Schüchternheit helfen?

Bei ausgeprägter sozialer Angst können Medikamente (meist Antidepressiva) unterstützend wirken. Sie sollten jedoch nicht als alleinige Therapie, sondern in Kombination mit psychotherapeutischen Maßnahmen eingesetzt werden und bedürfen ärztlicher Verschreibung.

Wie kann ich meinem schüchternen Kind helfen?

Fördern Sie schrittweise soziale Erfahrungen, ohne zu drängen. Seien Sie ein positives Vorbild im Umgang mit sozialen Situationen. Loben Sie Mut und Anstrengung, nicht nur Erfolg. Bei starker Schüchternheit kann frühzeitige professionelle Unterstützung sinnvoll sein.

Kann man Schüchternheit auch im Erwachsenenalter noch überwinden?

Absolut. Unser Gehirn bleibt lebenslang veränderbar (Neuroplastizität). Auch wenn eingefahrene Muster im Erwachsenenalter mehr Übung erfordern, um verändert zu werden – möglich ist es in jedem Alter.

Quellen

  • Hendriksen, E. (2022). Wie Schüchternheit dich nicht länger ausbremst: Tipps und Strategien für mehr Selbstbewusstsein. Junfermann Verlag.
  • Leahy, R. L. (2020). Kognitive Therapie der sozialen Angst: Werkzeuge zur Überwindung von Schüchternheit. Beltz Verlag.
  • Schinke, C., & Zimmermann, J. (2021). “Schüchternheit und soziale Angst: Diagnose, Verlauf und Therapie.” Deutsches Ärzteblatt, 118(7), 456-463.
  • Schmitt, M., & Mitte, K. (2019). “Die Neurobiologie der Schüchternheit: Neue Erkenntnisse und therapeutische Implikationen.” Nervenheilkunde, 38(12), 893-900.
  • Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (DGPPN). (2023). S3-Leitlinie Soziale Angststörung. Verfügbar unter: anxiete sociale
  • Bundespsychotherapeutenkammer. (2024). Wege zur Psychotherapie. Verfügbar unter: www.bptk.de.

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